Emin da Silva ist inzwischen weit über Bremen hinaus bekannt – als ein extremer Läufer, der unglaubliches leistet. Nun hat er sich für den Wiener City-Marathon eine neue Herausforderung vorgenommen.
Wenn Emin da Silva an der Schlachte in Bremen auf einem Bein hüpft, schauen die Leute neugierig hin. Er springt sogar rückwärts am Weserufer entlang. Manche fragen ihn nach einem gemeinsamen Foto, weil sie den Extremsportler erkannt haben. Kinder hüpfen manchmal mit, weil sie das so lustig finden. Für da Silva hingegen ist das, was er da macht, ziemlich wichtig: Er bereitet die Muskeln, Sehnen und Gelenke seines Körpers auf die nächste große Herausforderung vor: Im April wird er den Wien-Marathon rückwärts auf einem Bein hüpfen, die Halbmarathon-Distanz, lange 21 Kilometer.
Er macht das wieder für einen guten Zweck. Seit Jahren sammelt er mit solchen Aktionen Spenden für wohltätige Vereine und bedürftig Menschen, rund 68.000 Euro kamen schon zusammen. Unglaubliche Leistungen hat da Silva vollbracht. Einmal lief er zehn Marathons am Stück, von Hamburg bis Berlin. Später absolvierte er 67 Marathons hintereinander, er lief dabei von Bremen bis zur Türkei. Es war der Lauf seines Lebens. Er lief durch die Wüste, bei 52 Grad. Er rannte den New-York-Marathon rückwärts. Den Halbmarathon in Bremen lief er mal mit verbundenen Augen. Er hat immer neue Ideen. In Wien schaffte er es auch schon vorwärts hüpfend ins Ziel. Im vergangenen Jahr tanzte er dort: Er absolvierte den Halbmarathon im Salsa-Schritt.
„Viele extreme Erfahrungen“ nennt er das rückblickend, „man kann außergewöhnliche Leistungen bringen, wenn man stark im Kopf ist.“
Den inneren Schweinehund, den viele Menschen kennen, den hat auch er schon getroffen. „Nach meinem ersten Marathon war ich so fertig – ich hätte nie gedacht, dass ich jemals einen zweiten laufe.“ Inzwischen sind es weit über 100 geworden, was ihn unlängst ins Fernsehen brachte, als Stargast in einer Rateshow mit Kai Pflaume. Die Promis dort kamen nicht drauf, was da Silva sportlich leistet. Für sein Engagement wurde er auch schon vom Bundespräsidenten ins Schloss Bellevue eingeladen. Da Silva nahm nicht den Zug nach Berlin, er lief.
Er sei kein Comedian, betont er beim Training in Bremen. Er wolle nicht selbst auffallen, sondern ein „Botschafter des Sports sein, ein Laufkünstler“. Er will andere motivieren, an ihre Grenzen zu gehen. Und er will Bedürftigen helfen: „Das Spendengeld ist ein Nebeneffekt, ich will auf die Probleme aufmerksam machen, damit die Leute hinsehen.“ Auch bei den Flutopfern kamen Spenden an.
Inzwischen denken viele, da Silva sei ein Profisportler. Das Gegenteil ist der Fall. Er arbeitet in Vollzeit, als Jugendsozialarbeiter beim Arbeiter-Samariter-Bund in Bremen. Als ehemaliger Flüchtling liegt ihm das am Herzen. Nach Feierabend oder morgens macht er Sport, neben dem Laufen auch mal mit Rollerskates oder beim Eislaufen. Er spielte früher auch gut Fußball. Ein Auto hat und will er nicht, er braucht nur sein Fahrrad. Inzwischen unterstützen ihn Sponsoren wie die Deutsche Vermögens Beratung, die in Wien seine Hotelkosten übernimmt.
Freitags wird er dort ankommen und noch ein Schnitzel essen. Am Samstag werden die Gelenke und Muskeln aufgewärmt, am Sonntag, das ist der 23. April, hüpft er den Halbmarathon dann einbeinig rückwärts. Alle vier oder acht Schritte wechselt er das Bein. Er wird sich dabei erinnern an 2021, als er den Wiener City-Marathon vorwärts auf einem Bein hüpfte. „Diese Belastung war brutal“, sagt er über den härtesten Lauf von allen, „ich hätte fast aufgegeben. Im Ziel war es Adrenalin pur.“
Er weiß also, was auf ihn zukommt. Im Januar ist er 50 geworden, Wien feiert den 40. Marathon – da wollte da Silva etwas Besonderes leisten. Warum also nicht den extremen Lauf von 2021 nun rückwärts hüpfen, als Halbmarathon? Erst übte er in der Bremer Innenstadt im Park, wie es das immer macht, um eine Idee auf ihre Machbarkeit zu überprüfen. Dann trainierte er heimlich fernab der Stadt am Alten Hafen, damit ihn noch keiner sieht. Im November fing er an: Die Waden an die Schritte gewöhnen, die Gelenke; ein Gefühl für die richtige Armbewegung bekommen. Anfangs hüpfte er vier Kilometer rückwärts, inzwischen sind es zehn. Im März sollen es 15 bis 18 Kilometer werden. Die volle Distanz will er erst in Wien packen, mit Adrenalin im Blut.
Menschen würden zu oft denken, etwas sei nicht zu schaffen. Da Silva hält dagegen: „Auch mir tut mal was weh, aber ich will mir beweisen, dass ich das schaffe.“ Und danach übt er wieder im Park – für das nächste große Ding.
.
Quelle: Ein Artikel von Jean-Julien Beer, erschienen im WESER-KURIER am 10.2.2023
.
► zum Seitenanfang ↑ ( nach oben )
← zurück