Der Mann, der rückwärts hüpft

Emin da Silva ist inzwischen weit über Bremen hinaus bekannt – als ein extremer Läufer, der unglaub­liches leistet. Nun hat er sich für den Wiener City-Marathon eine neue Heraus­forderung vorgenommen.  

Einbeiniges Training an der Schlachte in Bremen: Emin da Silva bereitet seinen Körper auf die nächste Herausforderung vor  (Foto: Christina Kuhaupt).

Wenn Emin da Silva an der Schlachte in Bremen auf einem Bein hüpft, schauen die Leute neugierig hin. Er springt sogar rückwärts am Weserufer entlang. Manche fragen ihn nach einem gemein­samen Foto, weil sie den Extrem­sportler erkannt haben. Kinder hüpfen manchmal mit, weil sie das so lustig finden. Für da Silva hingegen ist das, was er da macht, ziemlich wichtig: Er bereitet die Muskeln, Sehnen und Gelenke seines Körpers auf die nächste große Heraus­for­derung vor: Im April wird er den Wien-Marathon rückwärts auf einem Bein hüpfen, die Halb­marathon-Distanz, lange 21 Kilometer.

Er macht das wieder für einen guten Zweck. Seit Jahren sammelt er mit solchen Aktionen Spenden für wohl­tätige Vereine und bedürftig Menschen, rund 68.000 Euro kamen schon zusammen. Unglaubliche Leistungen hat da Silva vollbracht. Einmal lief er zehn Mara­thons am Stück, von Hamburg bis Berlin. Später absol­vierte er 67 Marathons hinter­einander, er lief dabei von Bremen bis zur Türkei. Es war der Lauf seines Lebens. Er lief durch die Wüste, bei 52 Grad. Er rannte den New-York-Marathon rückwärts. Den Halb­marathon in Bremen lief er mal mit verbun­denen Augen. Er hat immer neue Ideen. In Wien schaffte er es auch schon vorwärts hüpfend ins Ziel. Im vergan­genen Jahr tanzte er dort: Er absol­vierte den Halb­marathon im Salsa-Schritt.

„Viele extreme Erfahrungen“ nennt er das rück­blickend, „man kann außer­gewöhn­liche Leistungen bringen, wenn man stark im Kopf ist.“

Den inneren Schweinehund, den viele Menschen kennen, den hat auch er schon getrof­fen. „Nach meinem ersten Marathon war ich so fertig – ich hätte nie gedacht, dass ich jemals einen zweiten laufe.“ Inzwi­schen sind es weit über 100 geworden, was ihn unlängst ins Fern­sehen brachte, als Stargast in einer Rateshow mit Kai Pflaume. Die Promis dort kamen nicht drauf, was da Silva sportlich leistet. Für sein Engagement wurde er auch schon vom Bundes­präsidenten ins Schloss Bellevue eingeladen. Da Silva nahm nicht den Zug nach Berlin, er lief.

Er sei kein Comedian, betont er beim Training in Bremen. Er wolle nicht selbst auffallen, sondern ein „Botschafter des Sports sein, ein Laufkünstler“. Er will andere motivieren, an ihre Grenzen zu gehen. Und er will Bedürftigen helfen: „Das Spenden­geld ist ein Neben­effekt, ich will auf die Probleme aufmerksam machen, damit die Leute hinsehen.“ Auch bei den Flutopfern kamen Spenden an.

Inzwischen denken viele, da Silva sei ein Profi­sportler. Das Gegenteil ist der Fall. Er arbeitet in Vollzeit, als Jugend­sozial­arbeiter beim Arbeiter-Samariter-Bund in Bremen. Als ehemaliger Flüchtling liegt ihm das am Herzen. Nach Feierabend oder morgens macht er Sport, neben dem Laufen auch mal mit Roller­skates oder beim Eis­laufen. Er spielte früher auch gut Fußball. Ein Auto hat und will er nicht, er braucht nur sein Fahrrad. Inzwischen unter­stützen ihn Sponsoren wie die Deutsche Vermögens Beratung, die in Wien seine Hotel­kosten übernimmt.

Freitags wird er dort ankommen und noch ein Schnitzel essen. Am Samstag werden die Gelenke und Muskeln aufgewärmt, am Sonntag, das ist der 23. April, hüpft er den Halb­marathon dann einbeinig rückwärts. Alle vier oder acht Schritte wechselt er das Bein. Er wird sich dabei erinnern an 2021, als er den Wiener City-Marathon vorwärts auf einem Bein hüpfte. „Diese Belastung war brutal“, sagt er über den härtesten Lauf von allen, „ich hätte fast aufge­geben. Im Ziel war es Adrenalin pur.“

Er weiß also, was auf ihn zukommt. Im Januar ist er 50 geworden, Wien feiert den 40. Marathon – da wollte da Silva etwas Besonderes leisten. Warum also nicht den extremen Lauf von 2021 nun rückwärts hüpfen, als Halb­marathon? Erst übte er in der Bremer Innen­stadt im Park, wie es das immer macht, um eine Idee auf ihre Machbar­keit zu über­prüfen. Dann trai­nierte er heimlich fernab der Stadt am Alten Hafen, damit ihn noch keiner sieht. Im November fing er an: Die Waden an die Schritte gewöh­nen, die Gelenke; ein Gefühl für die richtige Arm­bewegung bekom­men. Anfangs hüpfte er vier Kilo­meter rückwärts, inzwi­schen sind es zehn. Im März sollen es 15 bis 18 Kilo­meter werden. Die volle Distanz will er erst in Wien packen, mit Adrenalin im Blut.

„Ich bin kein Comedian“, betont Emin da Silva, der für einen guten Zweck läuft  (Foto: Christina Kuhaupt).

Menschen würden zu oft denken, etwas sei nicht zu schaffen. Da Silva hält dagegen: „Auch mir tut mal was weh, aber ich will mir beweisen, dass ich das schaffe.“ Und danach übt er wieder im Park – für das nächste große Ding.

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Quelle: Ein Artikel von Jean-Julien Beer, erschienen im WESER-KURIER am 10.2.2023

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