Extremsport für die gute Sache
Emin da Silva nennt sich selbst „Laufkünstler“. Mit seinen Aktionen sammelte er schon über 50.000 Euro Spenden für gemeinnützige Einrichtungen. Für seinen Sport braucht er immer eine Botschaft.
Einen Marathon, jeden Tag einen Marathon, 63 Tage hintereinander. 45 Stunden auf dem Laufband, mit insgesamt nur 45 Minuten Pause. 108 Kilometer bei rund 50 Grad Hitze durch die Wüste. Emin da Silva ist Extremsportler und läuft für die gute Sache. Bei seinen Aktionen sammelt der 45-Jährige Spenden für gemeinnützige Einrichtungen. «Ich bin Laufkünstler», sagt er. Ihm gehe es nicht darum, möglichst schnell zu sein oder eine Bestzeit aufzustellen.
Das sei auf Dauer ziemlich eintönig, meint er. Zentral sei für ihn der Einsatz für die Menschen. «Ich kann nichts umsetzen, wenn ich keine Botschaft trage», sagt da Silva. Und so hat er bereits Gelder gesammelt für ein Schulprojekt in Namibia, ist für Unicef sowie die Bremer Sportjugend gelaufen und hat für den Bremer Blinden- und Sehbehindertenverein einen Halbmarathon mit geschlossenen Augen gemeistert.
Natürlich könnte er auch einfach im Bürgerpark seine Runden drehen, räumt da Silva ein. Aber so könne er eben nichts bewirken. «Ohne Botschaft würde ich mich nicht so quälen», sagt er. Denn seine Aktionen verlangen dem 45-Jährigen Höchstleistungen ab. Es sei wichtig, nicht nur körperlich fit zu sein, sondern sich auch mental auf die Aufgabe vorzubereiten. Doch da Silva ist ein Kämpfer: «Ich freue mich immer, gesteckte Ziele zu erreichen.»
Der Bremer liebt Sport: «Das ist die Brücke zur Integration.» Dabei meint da Silva nicht nur die Integration von Migranten, sondern die aller gesellschaftlichen Gruppen in die Gemeinschaft. So etwa auch die Integration von benachteiligten Kindern. Es sei wichtig, denjenigen zu helfen, die es von Anfang an schwer haben und allen Kindern und Jugendlichen eine Chance zu geben. Da Silva spricht aus Erfahrung. Er wird 1973 in einem kleinen Dorf im Osten der Türkei geboren.
Die Familie hat wenig Geld, der Ort ist damals geprägt von Landwirtschaft. Bereits zur Grundschule müssen die Kinder sehr weit fahren. In der Großfamilie habe da Silva gelernt, sich durchzusetzen. Es sei nicht einfach, seinen Platz unter 14 weiteren Geschwistern zu finden, erinnert er sich. Halt findet er damals schon im Sport. «Als Kind war Fußball der heiligste Sport für mich», erzählt da Silva. Er kickt mit Freunden und Schulkameraden. Einen Sportverein zu finanzieren wäre für die Eltern unmöglich gewesen.
Mit 18 Jahren flieht da Silva vor dem drohenden Militärdienst nach Deutschland. 1991 erreicht er die Bundesrepublik – fast noch ein Junge, schüchtern und zurückhaltend. «Ich war zwar in Sicherheit, aber ohne Wurzeln angekommen», erzählt da Silva, «da war mein Glück, dass ich den Zugang zum Sport gefunden hatte.» Da Silva spielt Fußball im Verein, findet schnell Anschluss und gewinnt an Selbstbewusstsein. Er lernt Deutsch, ist plötzlich unter den anderen Asylbewerbern derjenige, der die Sprache beherrscht.
Das sei ein tolles Gefühl gewesen, erinnert er sich. Seine deutschen Mitspieler werden Freunde und unterstützen ihn. Nun wolle, nein, müsse er zurückgeben. Denn eigentlich ist da Silva keiner, der Hilfe will. Er wolle selbst leisten, sagt er. Umso frustrierender sind für ihn die ersten zehn Jahre in Deutschland, in denen er auf die Bewilligung seines Asylantrags warten muss. In dieser Zeit darf der junge Mann nicht arbeiten, erst in den letzten drei Jahren ist es ihm gestattet, eine schulische Ausbildung zu machen. Da Silva wird Tischler.
«Sport ist die Brücke zur Integration»
Als da Silva als Flüchtling anerkannt wird, hat er das Gefühl, seiner riesigen Freude Ausdruck verleihen zu müssen. Und so plant er seine erste große Aktion – er joggt in zehn Tagen von Hamburg nach Berlin. «Es war ein Lauf der Freiheit», sagt da Silva. Diesen legt er 2002 in billigen Laufschuhen zurück, noch ohne Sponsoren und große Spendenaktion. Heute ist da Silva Medienprofi – seine Aktionen erzeugen regelmäßig Aufmerksamkeit, für sein Engagement wird er 2014 sogar vom Bundespräsidenten Joachim Gauck geehrt. Zum Empfang beim Staatsoberhaupt läuft er, die eingesammelten Spenden kommen der ASB Zuwandererbetreuung zugute.
Seit 2013 ist der ASB auch da Silvas Arbeitgeber. Dort arbeitet er als Betreuer minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge. Für den 45-Jährigen ist dies der ideale Job. Und für seine Schützlinge ist er ein großes Vorbild. Seine Erfahrung weiterzugeben ist für da Silva essenziell. «Ich habe sehr viel in meinem Leben bekommen und bin verpflichtet, den Sport karitativ zu nutzen», sagt er. Denn seiner Meinung nach habe der Sport die einzigartige Möglichkeit, verschiedenste Menschen miteinander zu verbinden und ins Gespräch zu bringen.
«Ich will Aufmerksamkeit für die Situation der Menschen vermitteln», sagt da Silva. Dieser Aufgabe fühlt er sich verpflichtet seit seinem ersten Lauf durch die Wüste Namibias zur Unterstützung einer Schule vor Ort. Das war 2010. Seitdem hat da Silva über 50.000 Euro Spendengelder gesammelt, sagt er und meint: «Das Geld ist eine kleine Salbe auf die Wunde.» Viel wichtiger sei es, die Menschen für die Probleme und Sorgen der anderen zu sensibilisieren. Wie viel jemand spende, sei zweitrangig. «Wenn ich die Menschen aufmerksam machen kann auf den Verein, dann habe ich gewonnen», sagt da Silva.
Quelle: Dieser Artikel von Olga Gala
wurde im WESER-KURIER veröffentlicht am 26. März 2018