Namib Desert Marathon: Mehr als nur Spuren im Sand

Den „Big Daddy“ im Sossusvlei mit sei­nen 380 Metern Höhe im Hoch­som­mer und dazu im Lauf­schritt zu erklim­men, darauf kom­men in Namibia vermut­lich die Wenig­sten. Geschweige denn, sie legen zuvor auch noch 108 Kilo­meter per pedes durch die Namib zurück. In Windhoeks Part­ner­stadt Bremen jedoch, da reift ein solch wahn­wit­ziges Unter­fan­gen bereits seit Mona­ten in den Köpfen dreier pas­sio­nier­ter Mara­thon-Läufer: Anne Schmidt, Emin da Silva und Roland Krone star­ten beim dies­jäh­rigen „100 km of Namib-Desert“-Mara­thon!

Die älteste Wüste der Erde, Tempe­ra­tur­schwan­kungen von bis zu 70 Grad Celsius und die welt­weit höch­ste Düne im End­spurt neh­men – Super­la­tive, die Emin da Silva wenig abschre­cken. Im Gegen­teil – der Bremer Fitness­trainer und passio­nierte Mara­thon­läufer sieht solche vermeint­lich widri­gen Bedin­gun­gen eher als sport­liche Heraus­for­de­rung. „Mich haben solche Extreme stets gereizt und außer­dem denke ich, gut vorbe­reitet zu sein“, gibt sich der 37-Jäh­rige guter Dinge, auch den Anfor­de­run­gen, welche die Namib ihm abver­lan­gen wird, gewach­sen zu sein.

Doch der Reihe nach: Wenn am 6. Dezem­ber bei der Sossusvlei Lodge in Sesriem der Start­schuss fällt, steht den drei Bremer Läu­fern ein kör­per­licher Grenz­gang bevor, der sie nicht nur bis an das gefühl­te Ende die­ser Welt, son­dern auch an den Rand ihres eige­nen Leistungs­ver­mö­gens brin­gen wird – und viel­leicht darüber hinaus! In vier Etap­pen pas­sie­ren Schmidt, da Silva und Krone den Sesriem-Can­yon und durch­queren das Tsauchab-Rivier, bis sie ihr Weg schluss­end­lich zum Dead Vlei führt. Teils menschen­leere Einöde, in der die drei Nord­deut­schen auf sich allein gestellt sind – nur die eine oder ande­re Oryxan­ti­lope oder man­cher Strauß als tempo­räre Weg­be­glei­ter. Im Ruck­sack sind ledig­lich die nötig­sten, über­le­bens­wich­tigen Uten­si­lien wie Son­nen­creme und vor allem Wasser. Leicht muss er sein, jeder unnö­tige Bal­last kos­tet nur Zeit und gefähr­det das Ziel, es auch über die Ziel­linie zu schaf­fen. Die Ziel­linie – und das ist wohl die größte Heraus­for­de­rung des gesam­ten Laufes – die liegt auf dem Kamm von Big Daddy oder auch „Crazy Dune“, der höchs­ten Düne der Welt.

108 Kilometer durch die Wüste zu laufen – das ist doch abso­luter Wahn­sinn, möchte man mei­nen! Durchaus – aber für die drei Bremer ein seit fast einem Jahr durch­kal­ku­lier­ter Wahn­sinn! Seit Januar feilt Emin da Silva bereits mit Akribie an seiner körper­lichen Fit­ness, wenig später stieß Schmidt dazu und Krone komplet­tierte dann im Juni das sport­liche Trio. Um nun in wenigen Tagen auf den Punkt genau die volle Leis­tungs­fähig­keit abru­fen zu kön­nen, arbei­tete da Silva einen drei­stu­figen Trainings­plan aus, an den es sich strikt zu hal­ten galt. Die ersten Monate stan­den ganz im Zeichen des Kondi­tions­auf­baus. Tempo­dauer­läufe zwi­schen 30 und 45 Minu­ten, lang­sa­mere Gelän­de­läufe bis zu zwei Stunden – zunächst noch durch die nord­deut­sche Tief­ebene – sowie Rad- und Spin­ning-Ein­hei­ten. Es wur­den Grund­lagen geschaf­fen, auf denen man in Phase zwei mit inten­si­ve­rem Trai­ning aufbauen konnte. Dieses hatte es mitunter in sich. „In sieben Tagen habe ich zum Teil Trai­nings­ein­hei­ten bei 80 Grad in der Sauna absol­viert, bin den Harzer Brocken hoch gelau­fen oder habe am Bremer Trep­pen­lauf teil­ge­nom­men und dazwi­schen zusätz­lich Spin­ning, Intervall­läufe und ein Vor­be­rei­tungs­lauf zum Bremer Mara­thon“, erin­nert sich da Silva an seine wohl härteste Woche wäh­rend des euro­pä­ischen Som­mers. Doch wer jetzt meint, der 37-Jäh­rige habe sich danach erst ein­mal eine Ruhe­pause gegönnt, hat weit gefehlt. Im Anschluss daran ging es gleich nach Bulga­rien. Dort, wo nor­ma­ler­weise Touris­ten am Gold­strand in der Sonne entspan­nen, legte er erst­mals im tie­fen Sand die volle Distanz des Desert-Runs von 108 Kilo­metern zurück. „Es ist nicht einfach, sich in Europa auf die klima­tischen Bedin­gun­gen Namibias vor­zu­be­rei­ten“, weiß da Silva, doch Sauna­trai­ning oder eben der Abstecher nach Bulga­rien würden den Bedin­gun­gen, welche die Drei erwar­ten, schon recht nahe kommen.

Darüber hinaus vertraut der gebür­tige Kurde auf seine jahre­lange Lauf­er­fah­rung. Rück­blende: Um dem Militär­dienst in der tür­ki­schen Armee zu umgehen, schlug er quasi aus der Not heraus eine Leicht­ath­letik-Karriere ein. Vor 20 Jah­ren war das, und auf seine sport­lichen Anfänge blickt da Silva heute eher mit einem leich­ten Schmun­zeln zurück: „Meinen ersten Lauf musste ich damals nach 500 Metern wegen Seiten­stechen ab­bre­chen!“ Seit­dem ist viel pas­siert. 1991 kam er nach Deutsch­land und der Sport war es, der ihn als steter Beglei­ter über so manch schwere Zeit in dem ihm noch frem­den Land hinweg­hel­fen sollte. „Sport ist meine Wurzel, mein Leben, meine Ret­tung! Und davon will ich gern etwas zurück­geben“ – vermeint­liche Wort­hül­sen voller Pathos, die da Silva aller­dings mit Inhalt zu füllen weiß. Im Jahre 2002 organi­sierte er einen Frie­dens­lauf für Kurdis­tan von Ham­burg nach Berlin und auch in Namibia möchte der gelernte Tisch­ler mehr als nur Spuren im (Wüsten-)Sand hinter­lassen.

Neben dem sportlichen Anreiz des Extrem-Mara­thons ist es auch ein ganz bestimm­ter kari­ta­tiver Zweck, der die Bremer in der Wüste schwitzen lässt und antreibt. Durch Anne Schmidt wurde der Kontakt zum Verein Prak­tische Soli­da­ri­tät Inter­na­tional (PSI) geknüpft, der sich seit 25 Jahren mit zahl­rei­chen Hilfs­pro­jekten in Namibia enga­giert und den die drei Extrem­sport­ler mit ihrer Teil­nahme am Wüsten­lauf unter­stüt­zen. Des­sen Vor­sit­zen­der, Harald Schütt, hat seinen Wohn­sitz mittler­weile nach Windhoek verla­gert, um den Einsatz Spenden­gelder vor Ort besser koor­di­nie­ren zu können. Die drei Bremer Wüsten­läufer wollen mit Spon­soren- und Spen­den­geldern explizit zwei PSI-Pro­jekte in Namibia unter­stüt­zen. Zum einen wer­den mit „Invest in Peoples Future“ benach­tei­lig­te Kinder in den länd­lichen Regio­nen des Landes, wo regel­mäßige Schul­be­suche noch im­mer keine Selbst­ver­ständ­lich­keit sind, geför­dert. „Gerade einmal 40 Euro (ca. 370 N$) im Jahr rei­chen, einem Kind für ein komplet­tes Jahr die Schul­bil­dung zu garan­tieren“, weiß Schmidt, die in engem Kontakt mit Schütt steht. Schütt, auch Referent für erneu­er­bare Ener­gien an der Fach­hoch­schule (Polytechnic) in Wind­hoek, treibt darüber hinaus im Norden ein weite­res Projekt voran, welches unab­hän­gig von der Strom­ver­sor­gung Haus­halte mit sola­ren Koch­stel­len versorgt und zudem für die Herstel­lung benö­tigte Arbeits­plätze schafft. Nach dem Erfolg im Norden ist der­zeit geplant, auch in Wind­hoek eine Produk­tion aufzu­bauen. Dort sollen dann auch Solar-Back­öfen her­ge­stellt werden, mit denen Frauen auch kommer­ziell Brot backen und im Anschluss verkau­fen können.

Hierzu bedarf es natür­lich einer Menge an Start­kapital, welches unter ande­rem Schmidt, da Silva und Krone „erlaufen“ wollen. In den vergan­genen Monaten haben sie durch diverse PR-Aktio­nen für Vor­ha­ben, durch den Lauf auch den Menschen Namibias zu helfen, aufmerk­sam gemacht. So konn­ten neben einigen privaten Spen­dern auch Spon­soren aus dem Mittel­stand gewon­nen werden. Und selbst der Fußball-Bun­des­ligist Werder Bremen stellte den drei Läufern ein von allen Spielern signier­tes Trikot zur Verfü­gung, welches jetzt bis zum 21. Dezem­ber auf der Web­seite www.bauchherzkopf.de zu Gun­sten der PSI-Pro­jekte verstei­gert wird. Den­noch sind auch weiter­hin Spen­den will­kom­men – es fehlt weder an Bedarf noch Einsatz­mög­lich­kei­ten. Wer die Bremer Wüsten­läufer und/oder den Verein Prak­tische Soli­da­ri­tät Inter­natio­nal unter­stüt­zen möchte, kann dies mit einer Spende auf das PSI-Konto 16083180 bei der Spar­kasse Bremen, BLZ: 29050101, unter dem Verwen­dungs­zweck „PSI-desert run“ tun.

Ob Anne Schmidt, Emin da Silva und Roland Krone den Big Daddy errei­chen, entschei­det deren Fitness wäh­rend der nächs­ten Tage. Eines ist jedoch schon jetzt sicher: Allein mit der Teil­nah­me haben die drei Nord­deut­schen schon jede Menge bewegt – für sich selbst und für die Menschen in Namibia. Ziel Nummer eins erreicht!

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Quelle:     Dieser Artikel von Eike Nienaber wurde veröffent­licht
von AZ ALLGEMEINE ZEITUNG am 30. November 2010

3 Gedanken zu „Namib Desert Marathon: Mehr als nur Spuren im Sand

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