Emin da Silva, Bremer Laufkünstler, stellt sich einer neuen Herausforderung: Rückwärts und blind will er den Halbmarathon bestreiten. Sein Ziel: auf die Vermüllung der Städte aufmerksam machen.

So sieht man sie dieser Tage am Weserufer in Bremen: Emin da Silva trainiert zusammen mit der Läuferin Saida Silbermann. (Foto: Christina Kuhaupt)
Nach den ersten Trainingseinheiten tut es Emin da Silva fast schon ein wenig selbst leid, was er sich da mal wieder vorgenommen hat. Der Bremer Laufkünstler und Extremsportler, der schon in New York den Marathon rückwärts lief oder in Wien beim Halbmarathon im Salsa-Schritt und einmal sogar rückwärts hüpfend ins Ziel kam, wird beim Bremer Lauf am 5. Oktober die Halbmarathon-Distanz rückwärts und mit verbundenen Augen laufen. „Das ist jetzt noch mal eine Stufe schwerer“, sagt er über die Kombination aus beidem, „denn man kann die Füße rückwärts nicht abrollen und die Arme bewegen sich falsch herum – und weil man die Strecke nicht sieht, hat man immer Angst zu stolpern.“
Die ersten Trainingseinheiten, die Emin da Silva auf Platz 11 neben dem Weserstadion und am Ufer der Weser in Bremen absolvierte, waren entsprechend anstrengend. „Aber ich werde das schaffen“, sagt er über sein Vorhaben beim SWB-Marathon, „ich habe den Mut, die Energie und die Zuversicht, dass ich das bis ins Ziel hinbekommen kann. Und wenn ich auf dem Zahnfleisch am Bremer Marktplatz einlaufe.“
An seiner Seite übt die Läuferin Saida Silbermann mit. Sie wird da Silva während des Laufs führen, sie läuft also vorwärts und ist dabei quasi sein Auge, sie führt den Laufkünstler an der Hand über die rund 21 Kilometer lange Strecke. Er muss auf ihre Anweisungen hören und vertrauen, sie korrigiert auch, wenn da Silva von der Strecke abkommen könnte oder plötzlich ein Hindernis auftaucht. Neben der körperlichen Herausforderung, der sich alle Läufer an diesem Tag stellen, müssen beide also die ganze Zeit höchst konzentriert sein.
Sein Vorteil, so hofft es da Silva: Als Bremer kennt er die Strecke in seiner Heimatstadt quasi auswendig. Er ist schon oft dort gelaufen oder entlanggegangen. „Ich habe mir jede Stelle bis zum Ziel am Marktplatz eingeprägt“, sagt er.

Emin da Silva hat sich mit seinen bemerkenswerten Aktionen inzwischen weit über Bremen hinaus einen Namen gemacht. (Foto: Christina Kuhaupt)
Da Silva weiß aus seiner langen Erfahrung: Es gibt immer Leute, die seine Aktionen nicht verstehen oder nicht gut finden. In New York damals fühlten sich ein paar Hobbysportler veräppelt, die selber halb erschöpft vorwärtsliefen, während der Bremer ihnen beim Rückwärtslaufen in die müden Gesichter schaute. Beim Hüpfen in Wien glaubten die Leute, er habe sich verletzt und wollten ihm helfen. Und nun, vor der neuen Aktion beim Bremer Marathon, hat er schon Stimmen gehört, er würde die Blinden diskriminieren und nur nach Aufmerksamkeit suchen.
Auf beides hat Emin da Silva, der immer freundlich und sachlich spricht, eine Antwort. „Erstens: Ich diskriminiere oder beleidige die Blinden nicht, meine Aktion ist sogar mit dem Blindenverband abgestimmt. Die finden es toll, dass ich das probiere. Ich bin ja auch schon mal mit verbundenen Augen vorwärtsgelaufen.“ Und zweitens: „Mir geht es dabei nicht um Aufmerksamkeit für meine Person, sondern es geht um die gute Sache, auf die ich mit meinem Lauf hinweisen will.“ Und das ist auch diesmal wieder ein ernstes Thema, nämlich die Vermüllung der Städte.
Überall sehe er achtlos weggeworfenen Müll liegen, erklärt da Silva, wenn er durch Bremen oder andere deutsche Großstädte gehe. „Ich sammele ihn oft spontan ein. Doch das reicht nicht – wir brauchen ein stärkeres Bewusstsein in der Bevölkerung.“ Deshalb widmet er seine diesjährige Laufaktion dem Verein „Clean up your City e.V.„, der sich in Bremen und Umgebung für eine saubere Umwelt einsetzt und der die Bürgerinnen und Bürger zu eigenverantwortlichem Handeln motiviert. Da Silva, der sich selbst als „Sportbotschafter“ bezeichnet, meint dazu: „Wenn ich es mit meiner Aktion schaffe, dass mehr über dieses Problem nachgedacht wird und sich vielleicht noch mehr Menschen dafür engagieren, dann hat es sich schon gelohnt.“
« Die Schritte sind einfach nicht so locker, wenn man rückwärts läuft. »
(Emin da Silva)
Seit Wochen trainiert er für seinen Blindflug im Rückwärtsgang, manchmal auch an der Seite seiner Frau, die ihn seit vielen Jahren bei seinen ausgefallenen Aktionen unterstützt. Sie fährt bei diesen Trainingseinheiten dann zum Beispiel auf dem Fahrrad vorwärts, er läuft mit verbundenen Augen rückwärts neben ihr. Es geht dann darum, ein Gefühl für die ungewohnten Bewegungsabläufe zu bekommen. „Die Schritte sind einfach nicht so locker, wenn man rückwärts läuft“, erklärt er.
Und seine Muskeln und Gelenke sollen das ja nicht nur ein paar Minuten durchhalten, sondern die komplette Halbmarathon-Distanz. „Es hilft mir, dass ich schon zweimal Aktionen hatte, bei denen ich einen solchen Lauf rückwärts gemacht habe“, sagt da Silva, „aber das jetzt mit den verbundenen Augen zu schaffen, ist echt eine große Herausforderung.“ Wenigstens, so könnte man sagen, muss er dann den Müll hier und da in der Bremer Innenstadt nicht sehen. Aber lieber wäre es ihm, er würde in Zukunft viel weniger davon in den Straßen und Häuserecken sehen.