Vorsätze im Frühling
Er ist der Mercedes aller Vorsätze, oder wohl eher der Golf. Den Wunsch, mehr Sport zu treiben, hat sich vermutlich schon jeder ein-, mehr- oder jedesmal ganz oben auf die Agenda des neuen Jahres gesetzt.
Und wer kennt das nicht? Nachdem man vielleicht einigermaßen gut aus den Startlöchern gekommen ist, klafft plötzlich doch wieder ein Motivationsloch auf dem Weg zum Erfolg. Das Fitnessstudio ist so voll, die Zeit zu knapp, und für die Outdoor-Trainingseinheit ist es (noch) zu kalt. Außerdem ist der Alltag schon hektisch genug, ständig zwickt es hier und dort … da muss der Sport doch noch ein wenig in die Warteschleife.
Stefanie Bredemeyer und Martin Kowalewski stellen ihre sportliche Belastbarkeit auf die Probe
Der Kreiszeitungsredakteur Martin Kowalewski kann ein Lied davon singen. «Ab und an bin ich im Studio und stemme Gewichte, aber doch eher selten, da die Zeit es nicht erlaubt. Schwimmbäder sind mir meist zu überfüllt, und das ist auch nicht so mein Ding», erzählt der 41-jähriger. Und laufen? «Ja, das wäre schon was – aber da macht mir meine Hüfte einen Strich durch die Rechnung.»
Kollegin Stephanie Bredemeyer ist da eigentlich das genaue Gegenteil. Die 39-jährige Weyherin ist mit Job und Familie an sich schon genug ausgelastet, findet aber auch immer mal wieder Zeit, die Joggingschuhe zu schnüren. «Zwischen drei- und fünfmal in der Woche für jeweils ein- bis eineinhalb Stunden müssen schon drin sein», sagt sie und fügt hinzu, dass es sich für sie gar nicht erst lohne, unter zehm Kilometer die Schuhe anzuziehen. «Aber Luft nach oben gibt es immer». Nein, an Motivation mangelt es Steffi nun wahrlich nicht.
Frühjahrs-Fitness-Check vom Profi
Unterschiedlicher können sie also nicht sein, die Protagonisten für unseren Fitness-Check zum Frühling. Fehlt nur noch der richtige Personal-Coach, der die beiden auf Herz, Nieren und vor allem sportliche Ambitionen prüft. Die Idealbesetzung dafür ist schnell gefunden. Mit Emin da Silva erklärt sich Bremens vermutlich berühmtester und auf jeden Fall extremster Läufer bereit, Steffi und Martin auf der Finnbahn im Bürgerpark eine Lehrstunde in Sachen sportlicher Motivation zu erteilen.
Der 45-jährige Bremer ist ausgebildeter Fitnesstrainer und hat sich mit so manch körperlichem Grenzgang auch außerhalb der Hansestadt einen Namen machen können.
So durchquerte er joggend im südafrikanischen Hochsommer die Namibwüste, lief in 63 Tagen von Bremen in die Türkei und verbrachte erst kürzlich 45 Stunden nonstop auf dem Laufband. «Soweit bekomme ich euch heute aber noch nicht hin», begrüßt Emin da Silva seine beiden Kurzzeitschüler schmunzelnd auf der Finnenbahn. Aber das soll auch gar nicht das Ziel des Workouts sein. Vielmehr geht es darum, den Status Quo zu überprüfen und zu definieren, wohin für jeden die sportliche Reise in diesem Jahr noch gehen soll.
Dann mal los
«Dann wollen wir zunächst mal eine lockere Runde drehen.» Emin verliert keine Zeit, und die drei setzen sich im Laufschritt in Bewegung. Nach exakt 1,667 Kilometern könnten die Reaktionen kaum unterschiedlicher ausfallen. Während Emin so ausgeruht aussieht wie vor dem Start und Steffi über das ganze Gesicht strahlt, weil es endlich losgeht, schnaubt Martin bereits so, als ob er gerade den Iron Man absolviert hätte. «Ich bin komplett raus», stellt er erschöpft fest.
«Ja, das merkt man – aber das heißt nicht, dass das so bleiben muss», macht ihm Emin Mut. Früher habe er mal Volleyball gespielt und ein paar Stunden Karate gemacht. Und im Fitnessstudio lege er auch eher den Fokus auf das Gewichte pumpen, zählt Martin seine sportliche Historie auf. Konditionstraining habe er bisher eher stiefmütterlich behandelt, beziehungsweise schlichtweg ignoriert.
«Und wie sieht es mit deiner Ernährung aus?», will Emin wissen. «Ich bin Vegetarier und esse oft beim Türken um die Ecke. Zudem belohne ich mich nach getaner Arbeit hier und da mit Süßigkeiten, und zu einem Feierabendbier sage ich auch nicht immer nein», nennt Martin seine kulinarischen Vorlieben und ergänzt: «Ich habe das schon des Öfteren abgenommen – das aber überwiegend mit Diät-Shakes, und nach kurzer Zeit waren die Kilos wieder drauf.»
Tipps vom Profi
Emin muss nicht lange überlegen. «Das ist ja mal wirklich ausbaufähig», so seine erste Einschätzung. Neben einem modifizierten Trainingsplan empfiehlt ihm der Profi vor allem die Umstellung seiner Ernährung. «Versuche Fett zu vermeiden und auch die Kohlenhydrate zu reduzieren. Außerdem ist es wichtig, dass du nicht so viel auf einmal ist und alles auf fünf Mahlzeiten pro Tag bis spätestens 19 Uhr verteilst», erklärt Emin und fasst zusammen: «Es ist gut, wenn du satt bist – tritt das Völlegefühl ein, bist du jedoch auf dem falschen Weg.»
Muskelkater tut gut
Steffi macht derweil schon die ersten Dehnübungen. «Richtig so», lobt der Trainer und betont die Relevanz korrekten Stretchens. «Nach dem Warm-Up müssen die Muskeln richtig gedehnt werden das macht sie flexibler, führt zu einer schnelleren Regeneration nach dem Training und beugt allzu starken Muskelkater vor.» Aber ganz ohne Muskelkater ginge es auch nicht. «Dieser sorgt für einen Nachbrenneffekt beim Körperfett und verwandelt sich schlussendlich in Kraft.» Für einen optimalen Trainingserfolg sei es damit durchaus empfehlenswert, auch mal über die eigene Schmerzgrenze hinaus zu gehen. «Es kann also ruhig ein bisschen weh tun». Ausgedehntes Stretchen in Verbindung mit einigen Kraftübungen – für Emin da Silva die perfekte Kombination für ein Workout auf einem Trimm-Dich-Pfad wie der Finnbahn, an der Freizeitsportler an verschiedenen Stationen Übungen in den Bereichen Beweglichkeit, Kraft, Ausdauer, Koordination und Gleichgewicht absolvieren können.
Fazit:
Grundsätzlich hänge natürlich jedes Training von den individuellen Zielen des Trainierenden ab. Für Steffi ist dies klar definiert. «Ich will am Ball bleiben und mich in punkto Zeit und Kondition stetig verbessern – dazu ist die korrekte Ausführung sowie das Auf- und Abwärmen immens wichtig. Das habe ich sonst immer aus Gutdünken gemacht», erklärt sie. Deshalb habe sie die Trainingseinheit mit dem Profi «super inspiriert». «Jetzt bin ich wieder hoch motiviert, sportlich in die Vollen zu gehen und sogar noch eine Schippe draufzulegen», zieht Steffi begeistert Bilanz.
Und auch Martins Fazit fällt trotz schmerzverzerrtem Gesicht durchaus positiv aus. «Das Training mit Emin da Silva war echt erfrischend. Obwohl es das eine oder andere Mal schon ziemlich in den Muskeln zog, fand ich die den Dehn-, Lockerungs- und Kraftübungen im Mittelteil besonders gut.»
Und wie lautet das Urteil des Profis?
«Steffi und Martin hätten von ihrer Konstitution und Kondition her verschiedener nicht sein können, doch unterm Strich habe ich bei beiden ein gutes Gefühl.» Bei Steffi mache er sich überhaupt keine Sorgen. «Sie hat schon einen guten Weg eingeschlagen und kann sich mit ihrem Mann, der ebenfalls gerne Sport betreibt, gegenseitig motivieren.»
Und genau dort sieht Emin bei Martin ein mögliches Problem. «Er muss am Ball bleiben und dazu braucht er meiner Meinung nach Gesellschaft», sagt Emin und rät, fortan anstatt ab und an allein im Fitnessstudio Gewichte zu stemmen, regelmäßig in der Gruppe zu trainieren. «Sei es im Studio Kurse zu belegen oder sich eine Laufgemeinschaft anzuschließen – gegenseitige Motivation hilft dabei, sportliche Ziele konsequenter zu verfolgen und ist schlussendlich der Schlüssel zum Erfolg.»
Zehn Kilo weniger in sechs Monaten hält Emin da Silva durchaus für realistisch. «Grundsätzlich sieht Martin seine Defizite und hat das System begriffen. Er muss sein Leben auch nicht radikal umkrempeln, sondern lediglich an ein paar Stellschrauben drehen und trotz möglicher Motivationslöcher und temporärer Rückschläge mit Durchhaltewillen und eben guten Vorsätzen an die Sache gehen – dann sehen wir in einem halben Jahr einen neuen Menschen».
Quelle: Dieser Artikel von Eike Nienaber wurde in KREISZEITUNG im Magazin „Meine Gesundheit“ im Februar 2018 veröffentlicht