Nix geht, alles läuft

Bernd Neumann. Nun ist er endlich an der Reihe, der Mara­thon in der Haupt­stadt des Landes Freie Hanse­stadt Bremen. Bisher bin ich drei Mal in Bremer­haven gestar­tet auf drei unter­schied­lichen Stre­cken. Genau gesagt bil­den Bremen und die 60 km nörd­lich gele­gene Stadt Bremer­­haven das Bun­des­land. Bremen ist die zehnt­größte Stadt der Bun­des­re­publik Deutsch­land mit ca. 550.000 Einwohnern.


Die Stadt hat schon sehr alte Wurzeln, denn zwi­schen dem 1. und 8. Jh. gab es die ersten Sied­lun­gen auf einer lan­gen Düne. Seit 1260 ist Bremen Hanse­stadt. Die Stadt hat viele Sehens­wür­dig­kei­ten. Die bekann­tes­ten befin­den sich direkt oder unmit­telbar am Markt­platz, wie z.B. der Roland, das Rat­haus, der Dom St. Petri, die Bremer Stadt­musi­kan­ten sowie die Böttcher­gasse und das Schnoor­viertel.

Neben den Sehenswürdig­keiten haben die Bremer auch einige kuli­na­rische Speziali­täten wie z. B. Braun­kohl und Pinkel, Hoch­zeits­suppe, Bremer Labs­kaus, Bremer Küken­ragout, Bremer Klaben, Bremer Rote Grütze, Babbeler, Bremer Kluten, Wickel­kuchen, Knipp u.v.a.m.

Ich bin heute in die Hanse­stadt gefah­ren um zu laufen und leider nicht nur zum lecke­ren Essen. Es steht der 9. Bremen Mara­thon auf meinem Pro­gramm, der die Läufer­schar auf einer großen Runde durch die Stadt führt. Bei einer Ausdeh­nung von 38 x 16 km ist dies gut möglich, weil man den erwei­ter­ten Grün­gürtel mit einbe­zieht.

Das Startgeld für den Marathon liegt zwi­schen 42€ und 65€ für Nachmel­der. Im Preis sind eine Medaille und ein Funk­tions-Shirt ent­hal­ten. Die Veran­stal­tung ist auch wieder für Samm­ler oder lang­samere Läufer bestens geeig­net, denn für den Mara­thon ist das Zeit­ziel 5:45h (Start 9:45 Uhr Ziel­schluss 15:30 Uhr).

Mit dem Auto bin ich in 2 ½ Stun­den von Kassel in Bremen und reise erst am Morgen an. Parken kann ich in einer der Seiten­stra­ßen am Wall. Die Start­unter­lagen gibt es am Morgen ab 7:30 Uhr im swissótel, Hill­mann­platz hinter den Wall­an­lagen unweit vom Start auf dem Markt­platz. Den Weg dort­hin finde ich leicht, ich muss nur den vielen Läu­fern fol­gen. Das Melde­zen­trum und der Start- Ziel­bereich sind nur wenige 100m vonein­ander entfernt.

Der Marktplatz ist so etwas wie ein Gesamt­kunst­werk. Der Roland, 1404 als Zeichen der Reichs­frei­heit erbaut, ist mit sei­ner Gesamt­höhe von 10,21m die größte frei­steh­ende Plastik des deut­schen Mittel­alters. Sein Blick ist auf den St. Petri Dom gerich­tet mit seiner barocken Kanzel und einer der letzten Silber­mann-Orgel. Gegen­über dem Rathaus mit seiner typi­schen Fassade steht das Schütting, das Haus der Kauf­leute. Daneben geht es zur Böttcherstraße.

Schon gegen 9 Uhr ist es am Start­ge­lände voll. Viele wol­len noch Fotos mit den Bremer Stadt­musi­kanten oder dem Roland machen. Ich bin da keine Aus­nahme. Dann schaue ich mich auf dem Platz um, schieße noch ein paar Fotos von den herr­lichen Gebäu­den im Wohn­zim­mer der Stadt. Dabei treffe ich Franz Lang aus der Steier­mark. Er ist heute Zug­läu­fer für 5h. Wir sind uns im Mai 2012 begeg­net, da ist er in Kassel seinen 100. Mara­thon gelaufen.

Es ist 9:35 Uhr und die 10km Läufer star­ten auf ihren Rund­kurs durch die Innen­stadt. Es sind nur noch 10 Minu­ten, bis unser Start erfolgt. Erst 1 ¾ Stun­den nach uns werden die Halb­mara­thonis star­ten. Für alle ist der Ziel­schluss um 15:30 Uhr.

Wir verlassen den Marktplatz und machen nach rund 500m fast eine Kehr­wende in die Martini­straße die uns runter an die Weser führt. Die Tempe­ra­turen heute Morgen sind um die 15 Grad, also ideal zum Laufen. In der Nähe vom Wasser ist der Nebel, der uns auch noch eine Zeit beglei­ten wird. Entlang klassi­zis­tischen Pracht­bauten, Renais­sance­häu­sern und vielen Villen aus der Grün­der­zeit umlau­fen wir die Altstadt.

Bald verlassen wir die Weser und biegen auf den Alten Wall ab. Diese ehe­ma­ligen Wall­an­lagen waren einst zum Schutz der Stadt angelegt. Wir fol­gen dem Wall, der heute ein öffent­licher Park ist, in nörd­licher Rich­tung. Hinter dem Herden­tor (ehe­ma­liges Stadt­tor aus dem 17. Jh.) steht auf einer Höhe der Wall­anlage die Herden­tors­mühle, die noch bis 1947 als Getreide­mühle in Betrieb war.

An der nächsten Kreuzung heißt es links ab auf die Bürger­meister Smidt-Straße. Dr. Johann Smidt verhan­delte jahre­lang mit dem König­reich Han­nover zwecks Landab­tre­tung zum Bau eines Hafens (Bremer­haven) direkt an der See. Die bei­den Flüsse, die dann über­queren, sind die Weser und die Kleine Weser, hier noch durch den Teerhof getrennt. Auf die­ser Halb­insel befin­det sich die Weser­burg, das Museum für moderne Kunst in vier ehe­mal­igen Speicher­gebäuden.

Auf dem Werder geht es jetzt auf der Weser­seite vorbei am Stadt­wer­der­park. Viele Anwoh­ner sind heute Morgen schon auf den Bei­nen und fei­ern die Mara­thonis. Nun fol­gen wir dem Wer­der­see ein Stück und über­que­ren ihn über eine kleine Brücke. Auf der ande­ren See­seite lau­fen wir in Gegen­rich­tung. Kurz hin­ter der Brücke ist eine fah­ren­de Disco, gut für die Zuschau­er und die Läu­fer. Durch meine Foto­gra­fie­re­rei verliere ich immer wieder Franz, um den sich eine kleine Gruppe von 5h Läu­fern grup­piert haben. Hinter uns sind nur noch 2 oder 3 Läufer. Sind heute nur schnelle Runner unterwegs?

Kurz vorm Holzdamm bei km 10 verlas­sen wir das Weser­ufer. Hier gibt es eine wei­te­re Versor­gungs­station mit Wasser und Obst. Auf der Strecke sind rund alle 5 km Wasser- und Verpfle­gungs­sta­tionen. Bei den heu­tigen Tempe­ra­turen ist das ausreichend.

Wir folgen dem Holzdamm bis zum Ende des Sees. Nun führt uns die Lauf­strecke durch viel Grün über die Wehr­straße zum Ober­kanal. Zwi­schen Ober­kanal und Unter­kanal befin­det sich eine große Schleu­sen­anlage die wir über­que­ren. Über­que­ren heißt, Rampe rauf und Rampe runter. Am Weser­kraft­werk bie­gen wir ab und errei­chen den Hastedter Oster­deich, dem wir auf ei­nem Fuß­weg paral­lel zur Straße folgen.

Wenig später erreichen wir einige Sport­an­lagen und im Hinter­grund kann man den Stolz der Bremer, das Weser­sta­dion, erken­nen. Dahin kom­men wir erst später. Nun bie­gen wir ab in den Stadt­teil Hastedt. Die Stra­ßen sind hier von vie­len schönen alten Gebäu­den gesäumt und über­all befin­den sich Anwoh­ner in Gruppen am Straßen­rand, die uns allen zujubeln. Auch hier sorgen mobile Disco für Kurz­weil, Unter­hal­tung und Moti­vation. Tolle Idee.

Bei km 18 unterqueren wir die Kurfürs­ten­straße und werden im Tunnel laut beschallt. Bei km 20 gibt es noch­mal Versor­gung und dann lau­fen wir Rich­tung Rho­do­den­dron­park. Zuvor wird bei der Halb­dis­tanz die Zeit genom­men und alles mit Video überwacht.

Der Rhododendronpark bietet auf über 46 Hektar eine einzig­artige Samm­lung von über 600 verschie­de­nen Rho­do­den­dron-Arten und Azaleen. Die 300.000 Besucher jedes Jahr kön­nen die zweit­größte Samm­lung dieser Art welt­weit bestau­nen. Die Haupt­blüte­zeit ist von Ende April bis Mitte Juni, so kön­nen wir heute, wo sich der Park bereits etwas herbst­lich zeigt, die Blüten­pracht nur erahnen.

Bei km 24 erreichen wir die Universität. Nur einen Kilo­meter weiter kom­men wir zur Schau­box, mit dem Univer­sum eine inter­ak­tive Wis­sen­schafts-Aus­stel­lung. In den Gebäu­den laden die Themen­gebiete Expe­di­tion Mensch, Expe­di­tion Erde und Expe­di­tion Kosmos ein, die Expo­nate selbst aus­zu­pro­bieren. Das Univer­sum-Gebäude hat die Form einer über­dimen­sionalen Muschel.

Wir erreichen die Parkallee am Anfang des Stadt­waldes und haben noch 16km zu laufen. Zwi­schen Stadt­wald und Bürger­park geht es durch die Grün­an­lage am Emma­see. Der Park lädt heute viele Bürger zum Spazie­ren­gehen und zum Rudern auf dem See ein.

Dem Torfkanal folgen wir auf beiden Seiten. Ich kann den Köl­ner Bernd Zitzen erken­nen, der als letz­ter Läufer von einem Poli­zei­auto „verfolgt“ wird. Auch die letz­ten im gro­ßen Mara­thon­feld haben noch ihr Publi­kum und wer­den beklatscht und moti­viert, wie hier im Stadt­teil Fin­dorff-Bürgerweide.

Km 30, über Altstadtpflaster laufen wir direkt auf ein ganz tolles Büffet zu, dass wahre Mara­thon­fans ange­rich­tet haben. Mein Stopp dient nicht alleine dem Foto­gra­fieren. Nein, ich will auch kosten, denn ich werde sofort einge­laden. „Wein oder Sekt?“ Ich schaue ziem­lich ungläu­big. „Lieber Bier?“ Das ist die rich­tige Frage. Bier, Flamm­kuchen und ein Lachs­häpp­chen. Super lecker, danke.

Jetzt hat uns der Schlussläufer einge­holt. Nichts wie weg. Aber schon wenige 100m weiter gibt es frische und noch ganz warme Waf­feln, die ich natür­lich auch pro­bie­re. Die nächs­ten Kilo­meter ziehen sich durch einige Schlei­fen bis zum Hafen Speicher I. Unter­wegs kom­men Bernd und ich ins Gespräch. Er freut sich beson­ders auf das Weser­sta­dion. Am Hafen geht es durch eines der großen Gebäude quer durch. Für uns wurde hier extra auf bei­den Seiten eine Rampe mit rotem Teppich gelegt.

Über die Hafenpromenade geht es weiter zum Kaffee-Quar­tier. Die Wohn- und Büro­ge­bäu­de sind alle neu und sehr schön. Ab dem Kaffee-Quar­tier wird es ein­stel­lig, es sind nur noch 9km zum Ziel.

Wir sind wieder an der Weser und laufen auf die Pro­me­nade fluss­auf­wärts. Hierbei kom­men wir an der Schlachte vorbei, wie mir erzählt wird, ist das die Bremer Feier­meile mit vie­len Bier­gär­ten und schönen Lokalen. Oben von der Mauer aus grü­ßen uns viele Menschen. Leider sind sie oben mit dem Bier und wir unten am Wasser.

Neben uns auf dem Wasser liegt eine alte Kogge und kurz dahin­ter ein Drei­master, der jetzt als Restau­rant genutzt wird. Da­ne­ben bei den Arka­den liegt ein Theater­schiff. Dann errei­chen wir das Weser­sta­dion, Heimat des SV Werder Bremen. Es geht durch einen Tunnel direkt ans Spiel­feld. Es ist toll, so ein Stadion mal vom Rasen aus zu sehen. Die Ränge sind natür­lich völlig leer, aber auch die Letz­ten wer­den vom Stadion­sprecher begrüßt. Dann geht es auf der ande­ren Seite raus und zurück hoch zum Osterdeich.

Wir sind auf dem „Heimweg“ zur Innen­stadt. Vor mir sehe ich ganz klein ein Grüpp­chen Läufer. Es ist unter ande­rem der Bremer Emin da Silva, der den Mara­thon rück­wärts läuft. Ich meine nicht in umge­kehr­ter Rich­tung, son­dern im Rück­wärts­gang. Bei km 41 kann ich zu ihm auf­schlie­ßen. Emin ist Türke mit deut­schem Pass. Es wollte im Som­mer von Bremen nach Istanbul laufen. Jeden Tag einen Mara­thon und das 67 Tage lang. Er schaffte es bis zur tür­ki­schen Grenze mit 63 Mara­thons, dann kam das Aus. Die türki­schen Grenzer ließen ihn nicht ins Land, so dass er sein Vorha­ben hier been­det musste.

Heute muss er nicht aufgeben, er hat freie Strecke beim Mara­thon in Bremen. Ich be­glei­te ihn und seine Hel­fer bis ins Ziel. Dort profi­tiere ich etwas vom Medien­rummel um den Retro-Runner. Auch Franz ist dabei, er hat sein Soll als 5-Stun­den-Zug­läu­fer bravourös geschafft.

Die Zielverpflegung die auch für die letzten Läufer noch sehr gut. Es gibt neben dem alko­hol­freien Bier auch Was­ser, Apfel­schor­le, Obst, Muffins und Bröt­chen. Zum Ab­schluss mache ich noch einen klei­nen Spazier­gang durchs Schnoor­viertel, wo ich mit Torte und Kaffee für meine „Heldentat“ belohne.

Sieger Marathon
Männer
1. Oliver Sebrantke LC Hansa Stuhr 2:31:37
2. Klaus Eickel Hasta MEVISTA 2:35:25
3. Marc Schleyer Karlsruher Lemminge 2:43:16
Frauen
1. Anna Izabela Böge SV Einheit Ueckermünde 3:01:17
2. Marie Henn 3:07:07
3. Vanessa Schlemmer Sportart SV Nikar Heidelberg 3:10:56
890 Finisher

 

Quelle:    Ein Artikel von Bernd Neumann veröffentlicht
auf MARATHON4YOU.de am 6. Oktober 2013

Autor: Bernd Neumann  (und seine Laufberichte)

Hier findet Ihr Laufberichte von Autor Bernd Neumann aus den Jahren 2005 bis 2016.

Er versteht es auf ganz beson­dere Weise die Städte und Veran­stal­tungs­orte vor­zu­stel­len – und die Stim­mung von Lauf­ver­an­stal­tungen – einzu­fan­gen. Herz­li­chen Dank. Viel Spaß und Freude beim Lesen.

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