Warum ein Bremer den New-York-Marathon rückwärts läuft

Im zehnten Jahr seiner Charity-Läufe hat sich der Bremer Extrem­sportler Emin da Silva ein hohes Ziel gesteckt: Er will das ASB-Projekt Wünsche­wagen unter­stüt­zen und im Novem­ber beim New-York-Marathon starten.

Ständig nach hinten gerichtet ist der Blick von Emin da Silva beim Lauf­trai­ning an der Schlachte. Er will beim New-York-Mara­thon die Strecke rückwärts bewältigen. (Foto © Christina Kuhaupt)

Emin da Silva will beim größten Marathon der Welt an den Start gehen – und mit 55.000 Teil­neh­­men­den am 3. November den New-York-City-Mara­thon laufen. Der Clou: rück­wärts! Er will keinen Rekord aufstellen, vielmehr startet da Silva auch dort für einen guten Zweck. Bei seinem 101. Mara­thon möchte der 46-Jäh­rige auf das Projekt „Wünsche­­wagen“ des Arbeiter-Sama­riter-Bundes (ASB) aufmerk­sam machen.

Durch seine Vollzeitstelle als Jugend­betreuer in einem Wohn­heim für minder­jährige unbe­glei­tete Flücht­linge des ASB in Bremen hat da Silva den „Wünsche­wagen“ ken­nen­gelernt. Mit dem rein ehren­amtlich getra­genen und nur über Spen­den und Eigen­mittel finan­zierten Angebot möchte der ASB Menschen aus Bremen und Bremer­haven in ihrer letzten Lebens­phase einen Herzens­wunsch erfül­len. Das Fahr­zeug ist speziell auf die Bedürf­nisse der Fahr­gäste abge­stimmt, die von quali­fizier­ten, frei­wil­ligen Fach­kräften beglei­tet werden, um noch einmal das Meer, ein Konzert oder eine Familien­feier erleben zu können.

Spender und Sponsoren gesucht

„Ich war bei der Einführung des ‚Wünsche­wagens‘ in Bremen dabei und habe Menschen ken­nen­gelernt, denen ein letzter Wunsch erfüllt werden konnte. Das hat mich sehr bewegt“, bekennt da Silva. Daher sucht der im Stephani­quartier lebende Bremer nun Sponsoren und Spender, deren Namen zum Beispiel auf der Vorder- und Rück­seite seines Trikots abgedruckt werden.

„Ich habe gemerkt, dass man mit Sport jede Menge Gutes bewirken kann – und das nicht nur für den eigenen Körper“, sagt Emin da Silva. „Ich möchte etwas zurück­geben“, so der ehe­ma­lige Flüchtling, der viele Insti­tu­tionen durch seine Wohl­­­tä­­­tig­­­keits­läufe in den vergan­genen zehn Jahren unter­stützt hat. Dabei sind  insge­samt 60.000 Euro Spenden zusam­men­gekom­men „Der Sport hat mir den nötigen Halt in den zehn Jahren meines Asylantrages gegeben.“

Denn Emin da Silva wurde 1973 in einem kleinen Dorf im Osten der Türkei geboren und wuchs mit 14 Geschwis­tern in einer Groß­fa­milie auf. Da seine Kindheit durch den kurdisch-tür­kischen Konflikt geprägt war, entschloss sich da Silva 1991 kurz vor der Verpflich­tung für den Militär­dienst schließ­lich zur Flucht nach Deutschland.

Allein unter 70 Flüchtlingen machte er sich auf den Weg und erreichte nach einer 40-tägi­gen Odyssee durch Europa, bei der er viele Strecken zu Fuß zurück­gelegt hat, seine neue Heimat: Bremen. „Ich kannte die Sprache nicht, die Kultur war mir fremd und ich war allein“, blickt Emin da Silva zurück. Da er als Asyl­be­werber zehn Jahre lang auf Bewil­ligung seines Antrags warten musste und keiner Arbeit nachgehen durfte, hat er viel Sport getrieben und in verschie­denen Bremer Vereinen Fußball gespielt.

„Durch Sport gelang mir der größte Brücken­schlag zu den Einhei­mischen“, ist da Silva überzeugt. Denn in einem Verein lernte er nach drei Jahren in Deutsch­land viele Menschen kennen, die ihn beim Lernen der Sprache unter­stütz­ten. Mit zuneh­menden Sprach­kennt­nissen legte der junge Flüchtling seine Schüchtern­heit ab. Er habe hart und ziel­ge­rich­tet gear­bei­tet, fügt der schlanke Mann hinzu, um seinen Schul­ab­schluss nach­zu­holen. Danach absol­vierte er eine Ausbil­dung zum Tischler, jobbte unter anderem auch als Aushilfs­kraft auf dem Freimarkt oder im Fitnessstudio.

Erste Marathon-Teilnahme vor siebzehn Jahren

Als Emin da Silva nach zehn belas­tenden Jahren des Bangens vor einer Abschie­bung endlich den bewil­ligten Asyl­antrag in der Tasche hatte, joggte er symbo­lisch „in die Freiheit“. Im März 2002 absol­vierte er seinen ersten großen Lauf: Zehn Mara­thons in zehn Tagen – von Hamburg nach Berlin. „Ich wollte ledig­lich meine Dank­bar­keit zum Ausdruck bringen und andere Menschen moti­vieren, an ihre Träume zu glauben, ihre Ziele weiter­zuver­folgen und sich nicht von Rück­schlägen aus der Bahn werfen zu lassen – ganz gleich, wie diese Ziele aussehen“, nennt er seine Beweggründe.

Im Jahr 2010 beschloss Emin da Silva, seine Begei­sterung für den Sport zur Völker­ver­stän­digung und für kari­kative Zwecke zu nutzen. Bei 52 Grad Celsius legte er seiner­zeit 108 Kilo­meter durch die Wüste Namibias zurück, um Spenden für ein lokales Schul­projekt zu sam­meln. Das große mediale Interesse nutzte er, um auf die Armut in dem südaf­ri­ka­nischen Staat aufmerk­sam zu machen. Die Aktion wiederholte er 2011.

2800 Kilometer in 67 Tagen

Als „Lauf meines Lebens“ bezeichnet der Extrem­sport­ler den von Bremen nach Istan­bul im Jahr 2013. Jeden Tag erneut einen Marathon. In 63 Tagen legte er 2600 Kilo­­meter zu Fuß zurück. In 63 Tagen 63 Marathons. Kurz vor dem Ziel wurde ihm an der tür­ki­schen Grenze jedoch die Ein­reise verwehrt. Das habe ihn schwer getrof­fen, bekennt der gebürtige Türke. Zu seinem 45. Geburts­tag machte er sich selbst ein beson­deres Geschenk: Bei einer Aktion im „Weser­park“ legte Emin da Silva für jedes Lebens­jahr auf dem Lauf­band eine Stunde zurück, ohne Pause. Viele „Mitläufer“ gesellten sich für die gute Sache dazu.

Durch die Sanitätsdienste bei größeren Lauf­veran­stal­tungen ist da Silva auf den ASB aufmerksam geworden, anläss­lich des 100-jäh­rigen Bestehens der Hilfs- und Wohl­­fahrts­­­or­ga­ni­­sation auch auf deren Angebote und schließ­lich zu seinem jet­zigen Job. Die Ziele sind ihm noch nie ausgegangen. Deshalb bereitet er sich seit dem vergan­genen Jahr sehr diszi­pliniert auf den New-York-Mara­thon vor. „Ich inten­siviere langsam das Training“, sagt der Mann der Super­la­tive, der die Belas­tungs­phase lang­sam steigert und derzeit min­des­tens drei Mal pro Woche 15 bis 35 Kilometer zurücklegt.

Weitere Informationen

Wer Emin da Silva bei seinem New-York-Mara­thon für das ASB-Projekt „Wünsche­wagen“ unter­stützen möchte, erfährt mehr online unter www.emindasilva.de oder kann per E-Mail an info@emindasilva.de direkten Kontakt aufnehmen. 

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Quelle: Dieser Artikel von Ulrike Troue wurde veröf­fent­licht im WESER-KURIER am 12. Juli 2019